Sie kamen in den 1980er Jahren als Gastarbeiter in die DDR. Doch ihren vollen Lohn haben sie nie erhalten. Der wurde an ihre Regierung in Maputo überwiesen, sie sollten ihn bei ihrer Rückkehr bekommen. Doch die Kassen sind bis heute leer.
Eine handvoll abgegriffener Fotos ist alles, was Anacleto Amade von seinen zwei Jahren in der DDR geblieben ist. Der Mosambikaner kam in den 1980er Jahren im Rahmen eines Staatsvertrags zwischen den damaligen kommunistischen Verbündeten in den Osten Deutschlands. Wie er schufteten in dieser Zeit rund 16.000 Arbeiter aus Mosambik auf Baustellen, in Stahlwerken und Textilfabriken der DDR. Als sie nach der Wende zurückgeschickt wurden, begann ihr Kampf um ausstehende Löhne. Heute, 20 Jahre später, streiten sie noch immer um ihr Geld.
Die Erinnerungen an Spaziergänge durch die verschneiten Straßen von Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) sind noch immer eine starke Erinnerung für Amade. "Wenn ich diese Bilder sehe, lösen sie enorme Emotionen aus", sagt der 41-Jährige. Wie die meisten Mosambikaner, die in DDR-Fabriken arbeiteten, erhielt er nie seinen vollen Lohn. Nur 40 Prozent wurden ihnen ausgezahlt. Der Rest wurde an die Regierung in Mosambiks Hauptstadt Maputo überwiesen - zur Anlage und Auszahlung bei ihrer Rückkehr. Waffenlieferungen abbezahlen
Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 endete das Abkommen und die Arbeiter wurden nach Hause geschickt, in ein Land, das noch immer unter den Folgen des Kalten Krieges litt. Dort erhielten sie umgerechnet gerade mal 270 Euro pro Person: "Die Behörden teilten uns mit, sie hätten kein Geld. Das Geld war ihnen jedoch überwiesen worden", empört sich Zeca Cossa Cossa, Präsident der Vereinigung Madgermans (für "Made in Germany"), in der sich die ehemaligen Vertragsarbeiter zusammenschlossen.
Mosambik ist eins der ärmsten Länder Afrikas, Hunger und Gewalt bestimmen oft den Alltag. (Foto: picture alliance / dpa)
Cossa vermutet, dass die Vertragsarbeiter nach Ostdeutschland geschickt wurden, um Waffenlieferungen der DDR an die Frelimo abzuzahlen. Die heute regierende Frelimo kämpfte 1964 gegen Portugal für die Unabhängigkeit des Landes und im Bürgerkrieg bis 1992 gegen die vom südafrikanischen Apartheitsregime unterstützte Renamo. "Wir sollten in der DDR ein Handwerk lernen, um Mosambik aufzubauen", erzählt Cossa. "Aber wir wurden nicht wegen einer Ausbildung hingeschickt. Wir waren dort, um Mosambiks Schulden abzuarbeiten. Wir wurden als Sklaven benutzt." Madgermans gelten als Unruhestifter
Seit Jahren demonstrieren Dutzende Madgermans jeden Mittwoch in Maputo für ihr Recht. In einem Park gegenüber dem Parlament hat die Gruppe in ehemaligen Toilettenhäusern unter einer zerschlissenen Deutschlandfahne ihr Hauptquartier aufgeschlagen. 2004 gelang ihnen eine kurze Besetzung der Deutschen Botschaft. Vor ein paar Monaten versuchten sie, das Parlament zu stürmen. Später teilte das Arbeitsministerium im Staatsradio mit, es werde lediglich 1800 ehemaligen Vertragsarbeitern einen Teil der Löhne auszahlen und die Sache damit "definitiv" abschließen.
Die Situation der Madgermans spiegelt die Lage des Landes. Nach dem 16-jährigen Bürgerkrieg gilt Mosambik als eines der ärmsten Länder der Welt. Trotz eines Wirtschaftswachstums von 6,5 Prozent beträgt die Arbeitslosigkeit 60 Prozent. Die aus der DDR zurückgekehrten Mosambikaner gelten als unbequem, was ihnen die Arbeitssuche zusätzlich erschwert. "Die meisten Afrikaner sehen Ungerechtigkeit nicht, und wenn sie sie sehen, dann sagen sie nichts", sagt Cossa. "Wir, die in Europa waren, sehen sie."
Rose Ester Libombo, die zwei Jahre in einer Lampenfabrik in Erfurt verbrachte, bestätigt dies: "Sogar wenn wir Arbeit finden, schickt uns der Arbeitgeber weg, sobald er erfährt, dass wir Madgermans sind", sagt sie. "Sie halten uns für Unruhestifter, nur weil wir unser Recht einfordern."